Eine Diagnose würde ich eher als etwas betrachten, das rechtliche Möglichkeiten eröffnet und auf der anderen Seite ganz neue Diskriminierungen auslösen kann. [...] Es gibt etliche Berichte von Autisten, daß sobald die Diagnose im Berufsleben bekannt war nicht nur die Karriere endete...
Das trifft sicher auf viele berufliche Situationen zu. Ich bin aber ein Spezialfall da ich in einem Sozialberuf tätig bin [als eine Art Chimäre/Uboot/Doppelagent

]. Eine Firma die sich Inklusion auf die Fahnen geschrieben hat, wird sich schwer tun einen Mitarbeiter wegen einer "Behinderung" zu diskriminieren. Ich will dazu noch mehr schreiben, kann jetzt aber nicht.
Auf dem Weg zum Burnout, der viele Autisten um die 30 erwischt, die sich vorher nicht um artgerechte Lebensbedingungen kümmern?
Genau das meine ich. Ich hatte 2009/2010 bereits so etwas wie ein Burn-Out und habe mich seitdem nie ganz erholt. Ich weiß ziemlich genau welche Bedingungen ich brauche damit es mir gut geht, doch diese zu realisieren scheint zurzeit beinahe unmöglich.
Aha, und wozu das Ganze dann?
Frage ich mich auch oft - aber bezogen auf das Leben allgemein. Bin ich je glücklich gewesen? Wann habe ich zuletzt (starke) Liebe gefühlt oder Freude? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit das sich noch etwas ändert? Wieso tue ich mir die ganze Arbeit an wenn alles so Hoffnungslos ist? .... wegen der geringen Wahrscheinlichkeit dass es mir doch gelingt. Es nicht zu probieren würde die Wahrscheinlichkeit auf 0 sinken lassen.
Bezogen auf die Arbeit: Weil ich genau dort bin wo ich hin wollte. Ich kann mehrere meiner Interessensgebiete ausleben, die Leute mit denen ich direkt zusammen arbeite mag ich (eigentlich schon Ersatz für Freunde und Familie), ich mag das was wir tun, es bietet mir die Möglichkeit meine geheime Mission der Weltveränderung voran zu treiben, das System von innen heraus zu verändern... Was ich nicht mag sind die strukturellen Gegebenheiten - die Widersprüche zwischen definierten Idealen und der Realität - Inklusion und all die anderen Ideale können innerhalb dieser Struktur nicht verwirklicht werden. KollegInnen nehmen dies nicht wahr oder haben sich damit abgefunden, ich kann das nicht. Es fehlt die Reflexion, das Nachdenken, das Aussprechen von Wahrheiten. Wie erkläre ich z.B. dem Geschäftsführer dass seine Firmenstrategie Bullshit ist? Dass das theoretische Konstrukt widersprüchlich und unerfüllbar ist. Ich soll es locker nehmen sagt man mir. Wird schon werden. Mir ist es aber wichtig. Es raubt mir den Schlaf. Es nimmt mir die Freude an der Arbeit.
Ich hatte bisher nicht den Eindruck, daß es in solcher Hinsicht brauchbare Therapien für Autisten gibt.
Ja, das mit den Therapien ist so eine Sache… Für mich wäre es aber bereits schon eine Therapie mit jemanden reden zu können.
Situationsabhängig (je nach eigener Energie, den anwesenden Menschen und dem Ort) Wobei ich ja nicht einmal wissen kann ab wann der Punkt erreicht ist.
Wenn es z.B. um etwas Technisches geht kann ich leicht reden und werde von anderen als Experte wahrgenommen. Wenn mich jemand auffordert etwas über mich zu erzählen kommt fast gar nichts. Geben würde es genug, doch ich kann es in keine Form bringen. Small Talk ist auch nichts für mich. In solchen Situation dürfte ich anderen gegenüber schon merkwürdig erscheinen.
Grundsätzlich bin ich auch gar nicht daran interessiert anders zu erscheinen als ich bin.
Autsch. Vorher aufschreiben worum es dir geht?
Stimmt. Für den Fall dass ich es wirklich noch einmal angehe werde ich mich entsprechend vorbereiten.
Was hättest du an dem Text sonst noch überarbeitet?
Nichts. Ich muss gestehen, dass ich ihn trotz meiner Aussage dennoch 5 mal durchgelesen habe

Es ist mein Hang zum Perfektionismus - viele Kombinationsmöglichkeiten durchspielen - darauf achten nicht zu viel zu offenbaren (da sonst meine Anonymität gefährdet ist) - mich auf das wesentliche konzentrieren und nicht in Details abschweifen. Ich hatte vor drei Wochen bereits schon einmal versucht zu schreiben, habe den Entwurf aber wieder verworfen. Immerhin ist es meine erste Nachricht und da gelten für mich eben gewisse (undefinierte) Mindeststandards.