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Es gibt in Deutschland nur noch eine einzige Gruppe von Menschen, die man ungestraft verspotten und beleidigen darf: die Dummen. Damit sind alle gemeint, die zu Dummen erklärt werden. Sie sind angeblich wenig intelligent, ungebildet, unbelehrbar. Wer als dumm gilt, muss hinnehmen, dass er ausgelacht wird, weil er nicht klug ist. Warum eigentlich?
In unserer Gesellschaft ist es üblich, niemanden für etwas zu beschimpfen, für das er nichts kann. Das heißt nicht, dass es nicht trotzdem passiert. Aber diese Art der Diskriminierung ist sozial geächtet. Das erfährt jeder im täglichen Leben. Ungeschicklichkeit zum Beispiel ist kein Problem. Fällt einem alten Mann im Supermarkt ein Glas Gurken runter, muss er es nicht bezahlen. Es bildet sich auch kein Pulk von anderen Kunden, der brüllt: „Du tatterige Sau!“ Auch riesige Nasen oder spärliches Haupthaar gelten als unverschuldet und sind kein Problem. Schlimmstenfalls heißt es, kein Mensch sei perfekt, doch zumeist hört man, der vermeintliche Makel mache den Menschen erst interessant. Armut erscheint ebenfalls nicht als angemessener Anlass für Spott.
Obdachlose schildern auf kleinen Pappdeckeln ihre Not und bekommen daraufhin von Passanten Geld. In der Vorweihnachtszeit essen sie Gänsebraten im Rathaus. In Frankfurt kamen neulich der hessische Ministerpräsident und der Oberbürgermeister, um ihnen guten Appetit zu wünschen. Wer Ungeschickte anpöbelt, Haarlose auslacht oder Obdachlose beleidigt, gilt zu Recht als schlechter Charakter. Aber Dumme zu erniedrigen ist schick.