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An dieser Stelle wird es unheimlich. Denn was Wolfram kann, können auch andere – und die verdienen sogar Geld damit. Sie messen, wie viel jemand in den sozialen Medien wie Facebook oder Twitter zu sagen hat. Das ist zum Beispiel für Arbeitgeber interessant. Aus hunderten Faktoren errechnet die amerikanische Software-Firma einen Wert zwischen 0 und 100, den sogenannten „Klout-Score“. Was sie da genau auswertet, verrät sie nicht.
Da ich schon einmal dabei bin: Mein „Klout-Score“ ist 28. Das ist verdammt niedrig. Wegen derart magerer Werte beim Internet-Einfluss sollen in den USA schon reihenweise Bewerbungsgespräche geplatzt sein. Auch ein Hotel in Las Vegas soll sich erst nach der Berechnung für oder gegen ein kostenloses Zimmer-Upgrade entscheiden. Denn wer gehört wird und auf Kanälen wie Twitter vom Hotel-Service schwärmt, kann erfolgreich Werbung machen.
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„Besitzt du eine Hypothek?- „.Nein“. Auch damit liegt „Predict-o-matic“ richtig. „Ein Auto?“ „Nein.“ Ein Treffer für „Predict-o-matic“. „Hast du jemals einen Delfin berührt?“ „Nein“. Auch das schon wieder richtig. In 27 von 30 Fällen liegt Hunch richtig. Das ist eine Trefferquote von 90 Prozent.
An dieser Stelle ist endgültig der Punkt gekommen, an dem mir die Sache nicht mehr geheuer ist. Ich weiß, dass ich in Facebook-Nachrichten nie Hypotheken oder Delfine erwähnt habe.
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„Das ist maschinelles Lernen“, erklärt er. „Wenn sie sich in zehn Punkten ähneln, kann man die elfte auch auf Sie übertragen.“
Ich werde also in virtuelle Sippenhaft genommen. Mehr als das: Wenn man eine Person nach ihrer sexuellen Orientierung klassifizieren wolle, erklärt mir der Informatiker, gehe das über Wege, die ein Laie kaum für möglich halte. Brauchbar seien etwa Informationen darüber, zu welchen Uhrzeiten sich jemand einlogge oder wie oft er seine Verwandten in Mails erwähne.
Man klickt auf Katzen, Kochrezepte und teilt Bilder von der letzten Party – die Software errechnet daraus eine Neigung zur Glücksspielsucht. „Zum Beispiel kann es sein, dass sich Personen, die ihre Mutter in Mails häufig erwähnen, auch für Mode interessieren“, sagt der Experte. Die Behauptung „ich habe nichts zu verbergen“ ist also eine glatte Lüge? Naumann sagt ja. Denn ob ich verdächtig, kreditwürdig oder in Kauflaune bin, entscheide nicht mehr ich selbst, sondern die Maschine und ihre Algorithmen. Naumann selbst hat kein Facebook-Profil: „Man kann einfach nicht absehen, wohin das alles führt“, sagt der Daten-Forscher.
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Diese Daten, die das Einkaufsverhalten der Wähler aufzeigen, die die Payback-Bonuskarte verwenden – was van de Laar als ein Beispiel unter vielen nannte –, seien mit den Daten aus dem Wählerregister fusioniert worden.
Für jeden potentiellen Obama-Wähler wurde ein Datenbankeintrag angelegt und ständig erweitert. Auch das Verhalten im Internet war für die Wahlkämpfer von Interesse. Mit „Cookie-Targeting“ wurde das Online-Verhalten der Wähler über deren Computer ausgespäht und ausgewertet. „Social Media, Data Mining, Data Matching“ seien die Kernpunkte des Vorhabens gewesen, das sich „predictive analytics“ nennt –also auf Vorhersagen abzielte. „Wir wollten herausfinden, wer die Personen waren, die sehr wahrscheinlich nicht wählen gehen, aber uns wählen würden, wenn sie doch hingingen“, benannte van de Laar das Anliegen.
Man habe herausgefunden, dass 78 Prozent der Menschen, denen von Freunden oder Bekannten empfohlen wurde, Obama zu wählen, tatsächlich für den Demokraten stimmten. Das Team konzentrierte sich also auf eine zweite Zielgruppe: Menschen, die Obama sicher wählen würden und zusätzlich bereit seien, ihren Freunden und Nachbarn davon zu erzählen. 21000 Freiwillige habe man in den drei Wochen vor der Wahl allein in Ohio mobilisiert. Sie klopften an mehr als 800 000 Haustüren.
Eine iPhone-App gab im Wortlaut vor, wie ein Gespräch zu eröffnen und zu führen sei – und erinnerte mit Nachdruck daran, unbedingt fehlende Daten zu erfassen. „Wir wollten nicht einfach nur, dass Leute rumlaufen und mit irgendwelchen Menschen sprechen, wir wollen nachvollziehen, was genau dort passiert. Wir wollen wissen, wie die Konversationen laufen und welche Informationen wir da herausziehen können“, sagte van de Laar. Der Haustürwahlkampf sei wahlentscheidend gewesen. 750 festangestellte Mitarbeiter beschäftigte das Wahlkampfteam in Ohio, doch entscheidend sei die Arbeit der Freiwilligen gewesen.
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Die Daten lägen für die nächsten Kampagnen bereit, sagte van de Laar. In Deutschland werde der Rahmen des legal Möglichen noch nicht ausgeschöpft. Es gebe „maximal legale Wege, noch deutlich stärker vorzugehen und ein besseres Targeting zu machen“. „Alles andere“, sagte van de Laar, „wäre jung und naiv.“
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So ergibt sich eine seltsame Konstellation, bei der nicht nur das Geheimdienstwesen, sondern auch kommerzielle Opportunität sehr viel schneller Fakten setzen kann als demokratische Prozesse. Dienste wie Amazon, Facebook, Youtube, Skype sind nicht mal zehn Jahre alt und haben unsere Welt radikal verändert. Sie führen in eine neue Abhängigkeit ganzer Volkswirtschaften von bestimmten Unternehmen. Wenn man dann eine scharfe Revision der Gesetzeslage vornähme, könnte man plötzlich vor der Situation stehen, dass Deutschland ökonomisch in eine Krise gerät.
Wer das nicht glaubt, kann sich einfach mal vorstellen, was passieren würde, wenn morgen Google, Amazon, Facebook, Wikipedia und andere gemeinsam gegen eine Parlamentsentscheidung eines Staates stünden.
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