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Wann sollten Kinder beginnen, lesen zu lernen? Diese Frage treibt Sebastian Suggate von der Universität Regensburg schon länger um. 2009 hatte er erstmals eine Studie dazu publiziert. Das Ergebnis: Neuseeländische Kinder, die bereits mit fünf Jahren mit Buchstaben arbeiten, haben keinen Vorteil gegenüber Schülern, die später damit beginnen. Im Alter von elf Jahren seien die Lesefähigkeiten beider Gruppen gleich gut.
Nun hat Suggate gemeinsam mit zwei Kolleginnen von der University of Otago (Neusseland) eine neue Untersuchung vorgelegt, die aufhorchen lässt. Wieder haben die Bildungsforscher Schüler verglichen, die mit fünf und mit sieben lesen gelernt haben. Und diesmal erreichten die Spätbuchstabenlerner im Alter von elf Jahren sogar etwas bessere Lesefähigkeiten als normale Schüler.
Es wäre allerdings voreilig, aus der Studie zu folgern, dass frühes Lesenlernen Kindern schadet. Denn die Forscher haben zwei Schülergruppen miteinander verglichen, die nicht zwingend vergleichbar sind. Die Kinder, die mit fünf Jahren zu lesen begannen, stammen von herkömmlichen staatlichen, neuseeländischen Schulen. Der Lesestart mit fünf ist dort die Regel. Die Spätlerner hingegen gingen auf Waldorfschulen, die nur teilweise staatlich unterstützt werden.
Die Forscher verfolgten die Entwicklung der insgesamt 370 Schüler über mehrere Jahre und führten immer wieder Tests zu Sprachkenntnissen und Lesefähigkeiten durch. Es war keine große Überraschung, dass die normalen Schüler zunächst besser abschnitten als ihre Altersgenossen von den Waldorfschulen. Der Vorsprung hielt jedoch nur einige Jahre. Mit 10,5 Jahren hatten die Waldorfkinder denselben Lesefluss erreicht wie normale Schüler. Mit elf Jahren lasen sie dann sogar etwas besser.