Das Gehirn ist ja nicht starr in einzelne Bereiche untergliedert, welche nicht miteinander interagieren. Wie es auch Fundevogel erwähnt, kann man bestimmte Harmonien einer Stimmung zuordnen, und diese Fähigkeit ist wohl eher angelernt, als angeboren. Orientalische Musik erklingt z.B. für die meisten westlichen Menschen sehr befremdlich, weil sie diese Harmonien wohl mit nichts Vertrautem/Anerlerntem in Verbindung bringen können. Umgekehrt wird es wohl genauso sein. Wobei das nicht der Definition von Synästhesie entspricht, welche ja "hauptsächlich die Kopplung zweier physisch getrennter Bereiche der Wahrnehmung" (
Quelle) umfasst.
Ebenso benutzt man bei Kindern diese Eigenschaft, wenn man ihnen etwas beibringen will. Bei einigen Spielen werden heutzutage Klangliches und Bildliches Erleben miteinander verbunden, z.B. dass beim Abbild eines Esel beim Drücken jener Taste ein Esel-Geräusch erklingt. Ich denke solche Verbindungen von solchen Wahrnehmungsbereichen sind allgemein menschlich.
Daher verstehe ich Synästhesie eher als ein Verbindung von unterschiedlichen Wahrnehmungen, die seltener bei Menschen auftritt. Viele Menschen verbinden die Farbe grün wohl eher mit dem Wort Hoffnung, ich mit der Zahl 3, was seltener ist als ersteres.
In Wikipedia wird ja weiters von physisch getrennten Bereichen der Wahrnehmung gesprochen, welche bei Synästhetikern verbunden sind; als Beispiel wird Temperatur und Farbe erwähnt. Aber selbst bei dem Beispiel ist es so, dass z.B. ein Mensch ein glühendes Eisen in der Farbe Orange bis Rot wahrnehmen wird, und ebenso die Wärme spüren wird, dennoch wird das nicht als Synästhesie definiert. Wenn jener Mensch dadurch dann beim Sehen der Roten Farbe Wärme verspürt, wird es ohne diesen Zusammenhang als Synästhesie beschrieben, folglich ist diese Fähigkeit dann durch Erfahrung angelernt, die Eigenschaft sowas zu können aber angeboren.
Demnach wären dann wohl alle Menschen Synästhetiker, wobei der eine stärker, der andere weniger, der eine eher gesellschaftsorientierter, der andere eher eigener/seltsamer.
Ebenso kann es bei Geräuschen sein. Wenn eine Person beim Drücken einer 4-eckigen Taste immer eine Pfeife erklingen hört, wird jener später, wenn er eine Pfeife erklingen hört, sich diesen Klang wohl als viereckiges Objekt vorstellen.
Mit diesem Phänonem arbeitet ja auch die Werbeindustrie, indem sie z.B. für ihr Produkt einfache aber spezielle Klangmuster verwendet. Wenn ich z.B. die Themenmusik einer mir beliebten Serie höre, dann stelle ich mir sofort das Video bzw einzelne Bilder der Serie im Kopf vor, weil ich das miteinander verbunden habe. Ich habe es mir quasi angelernt, bzw mein Gehirn hat es selbstständig miteinander verbunden. Ähnlich ist es z.B. auch bei meiner Verbindung von Zahlen und Farben. 3 ist meine Lieblingszahl, grün meine Lieblingsfarbe. Es gibt dabei eine Gemeinsamkeit, und jene stellt bei mir die Verbindung dieser zwei unterschiedlichen Wahrnehmungen dar.
Es wurde also eine Verbindung aufgebaut, und im Gehirn wurde diese Verbindung dieser zwei physisch unterschiedlichen Bereiche hergestellt, so dass nun beim Abrufen einer Sache, das andere ebenso abgerufen wird, weil jene mit einander verbunden wurden.
Wenn aber nur jeder 20. Mensch Synästhetiker ist, dann würde z.B. die ganze Psychologie der Werbeindustrie nicht funktionieren, da dann nur 5% der Menschen darauf angesprochen werden würden, was nicht sonderlich viel ist.
Folglich denke ich, dass jeder Mensch diese Eigenschaft besitzt unterschiedliche Wahrnehmungsbereiche miteinander zu verbinden, der eine eben leichter, der andere eher schwieriger, aber jeder hat diese Eigenschaft und jene kommt auch in irgendeiner Form zum Vorschein. Daher kann sowas sicherlich auch angelernt werden, ob nun unbewusst (worauf die Werbeindustrie vorallem abzielt) oder bewusst.
Beim Lernen z.B. machte ich es auch manchmal bewusst oder oft unbewusst so, dass ich mir nicht nur die Wörter und deren Übersetzung merkte, sondern auch mir die Seite bildlich im Kopf abspeicherte, so dass ich dann auch wusste, welche Seite es war, wo das Wort ungefähr stand, usw. Oder bei Texten speicherte ich auch die bildliche Struktur des Textaufbaus im Kopf auf, was mir eine Orientierungshilfe war, sofern ich jenen Inhalt wieder abrufen musste. Ich verband also verschiedene Wahrnehmungsbereiche miteinander, um mir etwas besser merken zu können.
Aus diesen Überlegungen zu diesem Thema heraus, bin ich nun der Auffassung, dass Synästhesie eher die besonderen Bereiche dieser menschlichen Eigenschaft abdeckt, aber diese Eigenschaft allgemein bei jedem Menschen vorhanden sein müsste.
Ich erlebte es ja z.B. auch schon im Musik Unterricht, dass der Lehrer sagte, dass man bei jener abgespielten Musik jetzt evtl das Bild einer Werbung im Kopf haben könnte (hatte ich jedoch nicht), da in der Werbung jener Anfang des Liedes verwendet wird. Wenn ein Lehrer darauf hinweist, muss dieses Phänonem sicherlich häufiger bei den Menschen vorhanden sein, als nur bei 5% der Menschen, da wohl sonst darauf nicht hingewiesen würde, wenn es nicht einen größeren Anteil von Menschen betreffen würde.
Edit:
Ich denke ja auch, dass der Begriff der Synästhesie nur daraus resultiert, dass einige Menschen "entdeckt" wurden, welche fern ab der "Normalität" waren, also wie oben erwähnt grün jetzt nicht mit der Hoffnung verbanden, sondern ganz saltsamerweise mit einer Zahl. Diese Eigenschaft an sich ist meiner Meinung nach absolut menschlich; oder gibt es hier einen Menschen, der z.B. mit der Farbe Rot nichts anderes verbindet in seinem Denken?
Für mich ist ein e ja auch häufig wie ein a, da beide Buchstaben einen unvollständigen Kreis mit horizontaler Mittellinie darstellen, und etwas "Schwerfälliges", "Hartes" darstellen, wie runde Steine. Und A verbinde ich ebenso wie E mit einer HArmonie, welche ich aus der Musiklehre her kenne; auch in der Musik harmonieren diese beiden Harmonien miteinander und sind eher schwerfällig, voll, rund im Klang. D hingegen, ist wie das Smilie

signalisiert, leichter, offener, aber nicht grün, sondern eher gelblich. Was ist aber nun ein gelber Klang, oder ein leichter Buchstabe?
Manche Menschen äußern ja auch häufiger, dass ihr Leben schwer sei. Für mich ist ein großer Betonblock schwer, aber ein Leben ist keine Materie, sondern ein Zustand, und hat daher kein Gewicht an sich. Man findet also selbst im üblichen Sprachgebrauch synästhetische Erscheinungen. Nur ist es da eben "normal", aber es ist nich normal Zahlen mit Farben zu verbinden.
Ich könnte das wohl jetzt pausenlos fortsetzen hier zu diesem Thema Vergleiche zu finden und zu nennen. Ich finde es jedenfalls sehr schön im Grunde sich zu vielen Sachen etwas Anderes/Differenziertes vorstellen zu können, und Dinge miteinander zu verbinden, welche eigentlich getrennt sind. Es fördert die Kreativität und die Phantasie, denke ich. Wenn z.B. eine bestimmte Zusammensetzung von Worten, ein Bild ergeben können, welches nicht in Worten zu beschreiben ist, oder wenn buchstabenfolgen und Bilder Klänge ergeben, oder wenn Zahlen zu Farben werden, usw.
Edit:
Dazu fällt mir noch was ein; es gibt ja eine häufig gespielte Atmosphärische Art von Musik (kenne keinen Titel und keinen Künstler), welche gespielt wird, wenn man sich in den scheinbar unendlichen Weiten des Weltalls befindet in einem Spiel oder Film. Hierbei wird dann auch bestimmte Art von Musik mit der Weite verbunden, bzw auch mit dem Weltall dann. Wobei Musik eine klanglichliche Wahrnehmung ist, und die Weite eine visuelle Wahrnehmung. Man spricht ja auch von einem weiten Klangspektrum in einem Lied; hiebrei wird ja auch in einem Wort das auditive Wahrnehmen mit dem visuellen Wahrnehmen verbunden. Klang ist auditiv, das Spektrum an sich Visuell; oder kann sich jemand ein Spektrum auch klanglich vorstellen? Denke ja. Ein Spektrum würde ich dann wieder mit der Weite assoziieren, welches dann evtl wieder mit einer atmospärischen Musik verbunden werden kann, wie bei der "Weltraummusik".
Als ich zum ersten mal vom Autismusspektrum hörte, stellte ich mir, ohne nachzudenken, eine lange 3-dimensionale Kurve vor, welche über eine große Anzahl von Menschen sich entlang zieht, und scheinbar nicht endet, und keine sichtbaren Stufen aufweist. Aus einer eher mathematischen Darstellung wurde für mich sofort ein Bild im Kopf, so dass ich es mir besser vorstellen konnte, als allein durch das Wort und/oder Zahlen.
Man kann wohl also auch bei Synästhesie, wie beim Autimus nicht in "Schubladen" denken, da es stufenlos ist. Der eine hat das, der andere das, manche haben beides, aber wieder etwas anderes als beide, und andere hat nichts von den dreien, dafür wieder das vom vierten, und so weiter. Jeder gleicht sich einem anderen, aber nicht in allem, und jeder gleicht sich keinem, aber dennoch gibt es gleiches zwischen jedem. Wie so eine Kette, die sich unendlich oft verzweigt und fortsetzt, aber dennoch ist jedes Glied irgendwie mit einem anderen über ein oder mehrere andere Glieder verbunden.
Edit:
Wenn mir jemand eine Zeit ansagt, stelle ich mir dabei auch eine analoge Uhr im Kopf vor, und rechne damit dann auch eine Zeitdauer aus. Das sehe ich auch wieder als Synästhesie an, da eine Zahl im Wortlaut kein Bild ist, ich aber mir ein animiertes Bild dabei vorstelle, weil ich damit dann besser rechnen kann. Und das ist angelernt, denn zuerst musste ich ja lernen, was eine Uhr ist, und wie ich Zahlen addiere.