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Welche rechtliche Relevanz hat denn diese Charta mit der "Annahme" durch das EU-Parlament faktisch? Bisher hatte ich diese Charta eher als Sonntagsrede ohne bindende Wirkung verstanden.
Ein bisschen mehr als eine bloße Sonntagsrede sollte sie schon sein. Auf Wikipedia steht zum Thema "Charta": "(Damit) bezeichnet man die für das Staats- und Völkerrecht grundlegenden Urkunden wie die Magna Carta, die Charta der Vereinten Nationen (...)"
Der Begriff würde auch für Satzungen und Selbstverpflichtungen nichtstaatlicher Gruppen verwendet, aber das EU-Parlament ist keine NGO. Welche Bedeutung sie hat, kann man vielleicht an der Einleitung erkennen. Da steht u.a.: "Diese Rechte sollten durch die zuständige Gesetzgebung gestärkt, geschützt und durchgesetzt werden."
D.h. vermutlich, dass die Charta so eine Art Orientierung für Gesetzesänderungen sein soll, aber nicht selbst einklagbares Gesetz. Der Unterschied ist aber auch nicht so ganz klar, weil selbst im Grundgesetz alles mögliche steht, bei dem sie einen auslachen, wenn man versucht, es einzuklagen.
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Diese Definition von Behinderung aus den Sozialgesetzbuch verstehe ich noch nicht. Was hat das mit dem halben Jahr für einen Sinn?
Das heißt z.B.: Wenn man durch einen Unfall weniger als ein halbes Jahr im Rollstuhl sitzt, dann gilt das auch dann nicht als Schwerbehinderung, wenn es ansonsten eine ist. Einfach deshalb, weil es nur vorübergehend ist.
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Deinen Verweis auf eine angeblich mögliche Entziehung der Staatsbürgerschaft finde ich jedoch falsch. Wie viele Türken sind alleine schon deutsche Staatsbürger.
Dieser Verweis war auch nicht grade akut ernst gemeint. Es hat in der Nazizeit zwangsweise Aberkennung der Staatsbürgerschaft für Menschen gegeben, deren Vorfahren seit Jahrhunderten in diesem Land hier lebten - nur, weil behauptet wurde, sie würden einer anderen "Rasse" angehören. Auch diese Menschen, bzw. ihre Vorfahren, haben das zuerst freiwillig selbst behauptet.
Was die Sache mit den hier lebenden Ausländern angeht, sind die Türken mit deutscher Staatsbürgerschaft nicht der Beweis dafür, dass Menschen mit anderer "Rasse" oder "Nation" (so lange hier das ius sanguinis herrscht, ist das sozusagen dasselbe laut offizieller Definition!!!) sich ebenso selbstverständlich im Lande aufhalten dürfen wie Leute mit deutscher "Rasse" oder "Nation". Es finden jede Menge Abschiebungen statt, auch in Folterländer, und so mancher ist schon gleich nach seiner Abschiebung "verschwunden".
Es reicht auch nicht aus, sich hier vollkommen integriert und eingelebt zu haben, um hier ein "Wohnrecht" zu genießen. Ich bekam das über einen Freund unmittelbar mit, der seit 16 Jahren hier lebt, eine Ex-Frau und drei Kinder hier hat (zu denen er intensiven Kontakt hat) und der trotzdem abgeschoben werden sollte. Nicht, weil irgendwer was davon hätte, sondern bloß so, weil er kein Deutscher ist und seine Fluchtgründe so langsam mal "abgelaufen" sind. Kinder hier zu haben, ist kein Argument, wenn man das Sorgerecht nicht hat.
Natürlich ist es ein surreales Szenario, sich vorzustellen, wir würden das mit der anderen "Rasse" oder gar das mit den "Aliens" als Rechtsgrundlage durchsetzen können und als Konsequenz rausfliegen. Man kann von Glück sagen, dass uns die NT''s da nicht ernst nehmen, sonst würde es womöglich tatsächlich solche Konsequenzen geben.
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Bezüglich der Überlegung ob Autismus an sich eine Behinderung ist müsste die Frage geklärt werden welche Probleme Autisten in einer autistisch dominiserten Welt hätten. Un dhier wäre durchaus wieder die Frage wie sich Normalität eigentlich definiert.
Und solche Fragen finde ich schon gut und richtig.
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Oder Behinderung wäre wie du schreibst ein gesellschaftliches Ereignis.
Diese Definition gefällt mir am besten.
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Dann könnte man dies auch problemlos auf die Rassenidee übertragen und es gäbe eben Problemfelder zwischen verschiedenen Rassen.
Selbstverständlich. Auch "Rasse" ist ein gesellschaftliches Ereignis. Deshalb spricht man heute ja eher von Ethnien als von Rassen, die sind jedenfalls der Definition nach von vornherein ein gesellschaftliches Ereignis. Allerdings habe ich den Eindruck, dass das Auswechseln von Begriffen vollkommen nutzlos ist, wenn die alte Wortbedeutung dann lediglich auf das neue Wort übertragen wird. Statt irgendwas an rassistischen Zuschreibungen zu ändern, hat der neue Begriff sie geradezu wieder "hoffähig" gemacht, weil das jetzt alles nur noch niedlich und Folklore ist... Falls grade mal nicht aufeinander geschossen wird.
Als gesellschaftliches Ereignis gesehen müssen Autisten nicht zwangsläufig behindert sein, können es aber sein. Ein und derselbe Autist ist behindert oder auch nicht, je nachdem, ob er ein Lebensumfeld hat, in dem er sich befriedigend entfalten kann oder nicht. Ich finde, das trifft die Realität sehr präzise, ist aber halt gewöhnungsbedürftig. Man lernt zuerst mal, dass "Behinderung" und andere Attribute an der Person "kleben", die als "behindert" eingestuft wird. Wenn man fragt, wo, dann wird man auf den physiologischen Unterschied verwiesen und es wird so getan, als sei der die Behinderung. Real liegt die Behinderung aber tatsächlich genauso in den Bedingungen, die Menschen mit so einer physiologischen Eigenart benachteiligen. Man muss also in seiner Vorstellung die "Behinderung" von ihrem fixen Punkt irgendwo am Betroffenen (bei Autisten am Gehirn) lösen und sich vorstellen, dass sie mehr mit dem Raum verknüpft ist, in dem der Behinderte sich bewegt. Natürlich auch in ihm selbst, klar. In ihm selbst ist ja auch Raum, da ist keine Trennung. Die Behinderung ist also ohne fassbare Grenze innerhalb und außerhalb des Betroffenen und ist in keinem Sinne greifbar oder materiell, sondern besteht in der Art der Interaktion, in der Art, in der Bewegung geschieht...
Ohne eine solche *konkrete* Ablösung des Begriffs von dem "Behinderten" ändern sich die alten Ideen nicht wirklich, sondern werden allenfalls mit neuen Begriffen ausstaffiert.