Lisa M.
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RE: Gibt es mehrere ursächlich verschiedene Autismus-Formen?
Lisa_M.
23/05/2006 19:18
Von Röteln habe ich in dem Zusammenhang noch nie was gehört. Aber gerade vorhin hab ich das Buch "Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte" von Oliver Sacks durchgelesen, und da wird die Geschichte von jemandem erzählt, der seinen Autismus im Alter von 8 Jahren wohl durch eine Hirnhautentzündung erworben hat.
Was mich angeht, überlege ich auch, ob sowas nicht eher sein könnte... (Wenn auch nur ein "minimaler" Autismus, im Gegensatz zu dem Mann bei Sacks.) Ich bin mit einer Mittelohrentzündung auf die Welt gekommen, die zunächst nicht diagnostiziert wurde, weil man bei einem Baby ja nicht weiß, weshalb es brüllt. Noch heute kriege ich furchtbare Ohrenschmerzen, wenn die mal kalt werden im Winter. Und mit drei Jahren war ich ‘ne Woche im Krankenhaus wegen ständigen Bauchschmerzen. Eine Ursache wurde nicht festgestellt. Aber nachdem ich zufällig mal über einen Zusammenhang zwischen Hirnhautentzündung und Autismus was gelesen hatte, dachte ich, ob da vielleicht ein Zusammenhang sein könnte zur Mittelohrentzündung - und siehe da, ich wurde mehr als fündig: Mittelohrentzündung kann zu Hirnhautentzündung führen, die wiederum kann anscheinend auch schleichender verlaufen, und - Bauchschmerzen als Symptom haben!
Es wäre allerdings erstaunlich, wenn sie das im Krankenhaus übersehen hätten, und überhaupt kann man im Nachhinein nur sagen, dass sich diese Puzzleteilchen besser zusammengefügt haben, als ich erwartet hatte. Ich dachte nämlich, dieser Idee nachzugehen, sei Unfug, aber halt nicht sehr aufwändig, und dann macht man das mal eben.
Insgesamt finde ich es im Sinne des systemorientierten Ansatzes völlig logisch, dass eine komplexe Erscheinung wie "Autismus" verschiedene Ursachen haben kann. Allein schon deshalb bin ich skeptisch, wenn Wissenschaftler meinen, sie seien *der* Ursache auf die Spur gekommen.
Über einen Artikel in der erwähnten Zeitschrift habe ich mich übrigens in diesem Sinne köstlich beömmelt ("Sprachlos wegen der Gene" von Olaf Schmidt in G&G 5/2003). Da heißt es, Forscher hätten die ersten Gene identifiziert, die bei Autismus eine Rolle spielen würden. Und zwar haben sie 158 Familien mit autistischen Mehrlingen untersucht, und bei *zwei* betroffenen Zwillingsbrüder-Paaren wurden sie fündig: Dieselben zwei Gene wären kaputt! Jeweils war der eine Bruder Kanner-Autist und der andere Asperger. Zwar zitiert der Artikel auch eine skeptische Stimme, dass anscheinend keines dieser Gene eine größere Rolle spiele als Ursache von Autismus, aber im vorletzten Absatz heißt es trotzdem: "Denn erst wenn sie dort fündig werden (d.h. in der DNA), gilt der Zusammenhang mit Autismus als eindeutig bewiesen - so wie es jetzt Gillberg und Bourgeron im Fall der beiden Neurolingin-Gene gelang."
- Von einer Kontrollgruppe von 158 NT-Zwillingspaaren ist nicht die Rede...
Leider habe ich es versäumt, mich in der Studienzeit mit Statistik zu befassen. Qualitative Verfahren erschienen mir interessanter, und das sind sie auch. Aber jetzt wünschte ich doch, ich könnte errechnen, welche statistische Signifikanz bei "2 von 158" - noch dazu ohne Kontrollgruppe - vorliegt! Dass das Gen jeweils bei beiden Brüdern ‘nen Schaden hat, kann man jedenfalls auf pure Familienähnlichkeit zurückführen. Sie dürften noch mehr Gene gemeinsam haben.
Sämtliche Angaben erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen, im Bemühen um Logik, Nachprüfbarkeit und Einhaltung der kulturell bedingten Realitätsvereinbarung.
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