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Traumatisierung von Autisten und Kanners Autismusbegriff

original Thema anzeigen

28.06.15, 21:58:43

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Von der Seite der Trauma Beratung Leipzig:
Zitat:
TRAUMATISCHE ISOLATION - EINE AUSWIRKUNG DES FRÜHKINDLICHEN AUTISMUS

Autismus (nach Kanner oder Asperger) ist vermutlich eine Wahrnehmungsverarbeitungs-Störung. Daraus entsteht notwendigerweise vom Lebensbeginn an eine gnadenlose menschliche Vereinsamung, eine umfassende soziale Isolation – aus der existenzielle Ängste erwachsen, Ängste sich aufzulösen, Ängste verschlungen zu werden von der unüberschaubaren Außenwelt, - eine Situation, die im allgemeinen wohl einer Psychotraumatisierung entspricht. Veröffentlichte Zeugnisse Betroffener bestätigen dies.

Ein Fallbericht zur autismusbezogenen Therapie bei einer seit 20 Jahren hospitalisierten jungen Frau macht diese Zusammenhänge möglicherweise nachvollziehbar.

Zugleich wird deutlich, wie unzerstört das natürliche Entwicklungspotential sein kann auch bei einem Menschen nach Jahren der institutionalisierten Fehlplazierung, nach einer Kindheit und Jugend fast ohne jede angemessene Entwicklungsförderung, nach unbezweifelbarer Traumatisierung durch jahrelange Fixierungen und durch subjektiv als Bedrohung empfundene sonstige Interventionen sowie weitgehend ohne adäquate soziale Kontakte (seit dem 11. Lebensjahr nur unter Erwachsenen mit zumeist schwerer kognitiver Beeinträchtigung).

Quelle

Aus dem genannten "Fallbericht":
Zitat:
Seine Hypothese zur
Ursache des Frühkindlichen Autismus hat Kanner in verschiedenen
Veröffentlichungen – allerdings widersprüchlich – formuliert.
(Als „Asperger-Syndrom“ wird eine andere Form des Autismus bezeichnet, zu der ich
mangels eigener Erfahrungen hier keine weiteren Aussagen machen möchte.)
Frühkindlicher Autismus (nach Kanner) kann verstanden werden als
emotionales/seelisches Steckenbleiben auf einer sehr frühen Entwicklungsstufe,
wobei eine Entwicklungsstörung während der ersten Lebensjahre – die verschiedene
und auch mehrere Ursachen haben kann – die psychische Weiterentwicklung
umfassend beeinträchtigt und/oder blockiert.
Die Struktur dieses Steckenbleibens beim Frühkindlichen Autismus läßt sich m.E.
etwa folgendermaßen skizzieren:
> Es konnte nicht gelernt werden, grundsätzlich zu unterscheiden zwischen Ich und
Nicht-Ich/Außenwelt.
> Aus diesem Grund wird die Außenwelt nicht bestimmbar; sie bleibt ein diffuses,
unberechenbares Kontinuum, dessen Reize Angst einflößen.
> Das Kind kann sich nicht abgrenzen von der Außenwelt. Es erlebt sich nicht als
‚Ich’. Sensorische (sinnliche) Erfahrungen können nicht integriert werden ins
Bewußtsein. Selbst Erfahrungen mit dem eigenen Körper sind dann Teil einer
diffusen, chaotischen (unstrukturierten) Welt.
> In dieser Situation ist die Erfahrung von Beziehungen zwischen Innenwelt und
Außenwelt nicht möglich. Das Kind kann also nicht spielen.
> Ohne zu spielen, also ohne spontanes Handeln und die Erfahrung von Ursache
und Wirkung, ist kognitive Weiterentwicklung nur sehr eingeschränkt möglich
(PIAGET).
> Insbesondere aber kann Emotionalität sich nicht entfalten, und zwar zum einen
wegen der Unfähigkeit, sicher zu unterscheiden zwischen Ich und Nicht-Ich, zum
anderen aber, weil affektive Momente als besonders unberechenbar und
unvorhersehbar erlebt werden. Zwischenmenschliche Beziehungen können also
nicht wachsen.
Zudem behindert die sensorische und emotionale Beeinträchtigung wiederum die
kognitive Entwicklung (GREENSPAN).
Einzige Zuflucht ist für diese Menschen die Orientierung an festgelegten, sich
nicht verändernden Situationen und an Gegenständen. Auch mit Menschen
kann nur instrumentell umgegangen werden, wie mit Dingen. Die diffuse,
chaotische Welt kann allenfalls durch rigide Ordnungsprinzipien um ein
Weniges vorhersehbarer, also vertrauenswürdiger werden.

[...]

Lisa lernte ich kennen innerhalb eines psychiatrischen Enthospitalisierungsprojekts.
Auf der Grundlage meiner heilpädagogisch-therapeutischen Erfahrungen mit ihr
(siehe hier im Anschluß) und mit anderen Betroffenen sehe ich im Frühkindlichen
Autismus eine gravierende frühe Entwicklungsstörung, deren Ursache ein
strukturelles Defizit in der neurophysiologische Wahrnehmungs -
Verarbeitung sein dürfte, wie es heutzutage wohl von den meisten Fachleuten
angenommen wird.1 Dabei kann eine extreme affektive Deprivation und soziale
Isolation in den ersten Lebensjahren durchaus Ursache solcher neurologischer
Entwicklungssstörungen sein, da der neurobiologischen Aufbau von
Wahrnehmungsverarbeitungs-Systemen beeinträchtigt werden kann durch
mangelnde ‚Nutzung’ („neuronale Plastizität“).

Quelle
 
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